Obduktion/Autopsie

Wenn die Todesursache unseres Babys unklar ist, kann die Durchführung von Nachuntersuchungen uns Eltern möglicherweise Gewissheit darüber geben. Die Nachuntersuchung wird Obduktion genannt (lateinisch: obductio, von obducere; bedecken, nachträglich hinzuziehen bzw. vorführen). Eine synonym verwendete Bezeichnung ist Autopsie (griechisch: autopsía/aftopsía [f.]; eigene Schau). Unter einer Obduktion versteht man die äussere und/oder innere Untersuchung des Leichnams.

Im Normalfall werden äussere medizinische Untersuchungen am verstorbenen Baby automatisch durch Ärzte und/oder Rechtsmediziner vorgenommen. Bei einer Totgeburt oder beim sehr frühen Kindstod wird immer auch die Plazenta untersucht. Eine innere Untersuchung, also eine Art Operation nach dem Tod, wird nur mit ausdrücklichem Einverständnis der Eltern durchgeführt.

Wir werden unmittelbar nach dem Tod mit der Entscheidung für oder gegen die Durchführung von Nachuntersuchungen konfrontiert. Diese Entscheidung fällt den meisten von uns sehr schwer.

Es wird uns mitgeteilt, dass je zeitnaher zum Tod des Babys Untersuchungen durchgeführt würden, umso grösser sei die Wahrscheinlichkeit, dass etwas gefunden werde.
Dies ist aus medizinischer Sicht richtig. Der Abbau und die Veränderung von Stoffen des Körpers setzen ein, sobald der Mensch tot ist. Dies ist aber für uns Eltern meist nicht von Priorität. Für uns sind da vordergründig das Unfassbare, die grosse Leere und die Trauer. Wie sollen wir uns ebenda mit einer gewissen Sicherheit so entscheiden, dass wir auch später noch hinter unserer Entscheidung stehen können?

Die Frage, ob eine Autopsie durchgeführt werden soll oder nicht, muss von den Eltern bald beantwortet werden. Um Ihnen in dieser Situation vielleicht einige Hilfestellungen zu geben, haben wir unser Wissen und unsere Gedanken dazu zusammengetragen.

  • Zuallererst: Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Entscheidung. Legen Sie sich nicht fest, solange Sie es sich nicht genau überlegt und sich mit Ihrem Partner, Ihrer Partnerin darüber ausgetauscht haben. Diese Zeit steht Ihnen zu und ist sehr wichtig.

  • Sie müssen sich bewusst sein, dass eine Autopsie, eine Teilautopsie oder weitere Untersuchungen nicht die Garantie geben, dass eine Ursache gefunden wird. Es kann also gut sein, dass Sie sich für eine der genannten Untersuchungen entscheiden, aber danach weiterhin ohne Befund und Todesursache zurückbleiben. Dies kann negative Gefühle hervorbringen.

  • Aus unserer Erfahrung kommen im Laufe des Trauerprozesses die Fragen «Warum?» und «Was ist genau passiert?» früher oder später auf. Je nach Entscheidung werden Sie dann möglicherweise eine Antwort darauf haben. Wenn die genaue Todesursache durch entsprechende Nachuntersuchungen geklärt werden konnte, kann dies für die Eltern eine Gewissheit bringen und eine Entlastung von möglichen Schuldgefühlen bedeuten. Es kann aber auch sein, dass es keine Antwort auf die Fragen nach dem Warum und Wieso gibt. Einerseits, weil Sie sich gegen das Durchführen einer Autopsie entschieden haben, andererseits weil trotz Autopsie kein Befund festgestellt werden konnte. Auch hier gilt es, später einen Umgang damit zu finden.

  • Haben Sie weitere Kinder? Könnte die Antwort, also ein Befund, wichtig sein für Ihre Kinder an der Hand? Heute oder vielleicht später?

  • Ein ganz herausfordernder Gedanke sollte ebenfalls in Betracht gezogen werden: Wollen Sie vielleicht später noch ein Kind? Wenn ein weiteres Kind gewünscht ist, kann ein Obduktionsergebnis allenfalls helfen, ein mögliches Wiederholungsrisiko besser einzuschätzen. Es wird bei einer Folgeschwangerschaft wohl trotzdem eine normale Sorge aufkommen, die mit der dann bekannten Ursache des Todes vielleicht im Zusammenhang stehen könnte.

  • Wichtig kann eine Entscheidung für die Durchführung weiterer Nachuntersuchungen auch sein, wenn die Eltern einen medizinischen Behandlungsfehler vermuten.

  • Möglicherweise könnte eine Aufklärung der Todesursache für Kinder anderer Familien auch bedeutsam sein, etwa, wenn durch die Untersuchung ein Behandlungsfehler erkannt wird, der dann, weil er bekannt wurde, bei anderen Kindern verhindert werden kann.

  • Es müssen keine weiteren Nachuntersuchungen durchgeführt werden, wenn damit gerechnet werden kann, dass Nachuntersuchungen keinen weiteren Informationsgewinn bringen und weitere Konsequenzen haben würden. Oder wenn die Todesursache offensichtlich ist, wie zum Beispiel bei einer Nabelschnurkomplikation.

  • Eltern haben das Recht auf Nichtwissen.

Wir können Ihnen nicht raten, was für Sie gut oder richtig ist. Es gibt kein Richtig oder Falsch. Wichtig ist, dass Sie sich zu einem späteren Zeitpunkt nicht den Kopf zerbrechen, warum Sie diese Entscheidungen so getroffen haben, wie Sie sie getroffen haben respektive treffen werden. Denken Sie dann zurück und sagen Sie sich, dass Sie damals mit Ihrem besten Wissen und Gewissen und aus aktueller, wohlbedachter Überzeugung so gehandelt und entschieden haben.


Was uns helfen kann:

  • Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Entscheidung. Die Nachuntersuchungen können auch noch ein bis zwei Tage später erfolgen.

  • Lassen Sie sich erklären, was bezüglich Nachuntersuchungen Sinn machen könnte und was untersucht werden sollte. Es gibt auch die Möglichkeit eingeschränkter Untersuchungen. Manchmal gibt es Hinweise auf etwas Spezifisches und dann reicht es, wenn dies untersucht wird.

  • Fragen Sie alles, was Ihnen unklar ist oder Ihnen Sorgen macht rund um das Thema. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten der Nachuntersuchungen.

  • Die bestehenden Methoden werden fortlaufend weiterentwickelt und auch ganz neue Methoden (zum Beispiel die «minimal invasive Autopsie») entstehen, die eventuell in einigen Jahren die bisher übliche «normale Autopsie» ablösen könnten (zum Beispiel durch Kombination von bildgebenden Verfahren wie dem MRI und Punktionen einzelner Organe). Teilautopsien haben ein höheres Risiko, keine Antwort zu liefern, als vollständige Autopsien. Eventuell können aber statt einer Teilautopsie bestimmte Organe, zum Beispiel das Gehirn, von der Untersuchung ausgeschlossen werden.

  • Seien Sie sich bewusst, dass eine Nachuntersuchung nur in den ersten Tagen stattfinden kann. Später wird es keine Möglichkeit mehr geben, eine Untersuchung durchzuführen.

  • Es ist auch in Ordnung, wenn Sie sich gegen eine Nachuntersuchung entscheiden! Es gibt kein Richtig oder Falsch. Vielleicht widerstrebt Ihnen die Vorstellung solcher Manipulationen an Ihrem Kind. Oder die «geringe» Wahrscheinlichkeit, dass ein Befund festgestellt wird, überzeugt sie nicht, sich dafür zu entscheiden.

  • Bei einer Autopsie werden die Regeln verschiedener Religionen berücksichtigt. Sprechen Sie darüber auch mit den Fachpersonen.

  • Wenn wir eine Entscheidung getroffen haben, die wir zu einem viel späteren Zeitpunkt bezweifeln, sollten wir nachsichtig mit uns sein und uns sagen, dass wir mit unserem besten Wissen und Gewissen gehandelt haben.