Entscheidungen von damals

In den ersten Tagen nach dem Versterben unseres Babys müssen wir viele Entscheidungen treffen. Die einen sehr bewusst, andere unbewusst. Wir müssen entscheiden, ob unser Kind weiter untersucht werden soll. Wir entscheiden, ob und welches Abschiedsritual es geben soll. Wir entscheiden, ob wir unser Baby selber anziehen, baden, fotografieren oder in den Armen halten wollen, auch wenn es doch tot ist.

Erst später werden wir realisieren, dass wir in dieser ersten Phase nach dem Verlust viele Entscheidungen haben treffen müssen. Mit den Konsequenzen dieser Entscheidungen von damals müssen wir nun leben. Die Entscheidungen lassen sich nicht rückgängig machen. Dies zu akzeptieren wird uns wahrscheinlich nicht immer leicht fallen. Möglicherweise fragen wir uns dann, warum wir nicht mehr Fotos gemacht haben. Warum haben wir unser Kleines nicht länger bei uns behalten? Warum haben wir es nicht gebadet oder mit nach Hause genommen? Warum haben nicht alle Angehörigen und nahen Bekannten unser Kind gesehen und kennengelernt? Diese Fragen könnten uns zermürben. Dies ist verständlich, denn diese intimen Momente, all diese mehr oder weniger bewussten Entscheidungen wurden in einem Zustand getroffen, als wir unter Schock gestanden haben. Wir waren dumpf, erstarrt, verzweifelt und überfordert. Das ganze Geschehene begriffen wir damals noch gar nicht wirklich und es kommt uns später vielleicht ganz surreal vor.

Jetzt, mit zunehmender Distanz, mit mehr Klarheit und mit dem Wissen und vor allem Fühlen dieser Endlichkeit wollen oder würden wir gewisse Entscheidungen womöglich anders treffen. Nun wären wir so gerne mit all unseren Sinnen offen und empfänglich für Begegnungen mit unserem Baby. Es schmerzt, dass wir wissen oder annehmen müssen, dass uns dies in dieser Welt nicht mehr widerfahren wird. Doch wir sollten nachsichtig mit uns sein und uns keine Vorwürfe machen, dass wir gewisse Dinge verpasst haben. Oder dass wir damals keine Kraft hatten, um mehr Zeit und Intimität mit unserem Baby zu teilen. Viele von uns haben damals gerade eine Geburt hinter sich gebracht und waren zudem erschöpft von den überwältigenden Gefühlswellen. Wir dürfen nicht vergessen, dass dies eine Extremsituation für uns war, noch immer ist. Es bringt nichts, dass wir uns jene Entscheidungen von damals jetzt vorhalten. Halten wir an denjenigen Erinnerungen fest, die wir damals zulassen konnten. Halten wir uns daran fest, dass wir zu jenem Zeitpunkt diese Entscheidungen für richtig und stimmig gehalten haben. Wir stark in der Situation waren und diese Entscheidungen treffen konnten. Dies sollten wir uns vor Augen halten und uns gutheissen.


Was uns helfen kann:

  • Seien wir nachsichtig mit uns selbst.

  • Wir dürfen nicht vergessen, dass dies eine Extremsituation für uns war, noch immer ist.

  • Denken wir zurück, wie es uns erging. Vermutlich lag wirklich nicht mehr drin, als wir gaben.