Familienleben

Am liebsten wäre uns Eltern, dass wir unser Leben, unsere Welt anhalten könnten. Gerade als Familie den Alltag weiter aufrechtzuerhalten, kann in der ersten Schock- und Trauerphase eine grosse Herausforderung darstellen. Für alle heisst es nun, die anderen so zu nehmen, wie sie sich gerade geben. Unsere Kinder brauchen weiterhin die Begleitung und Zuwendung von uns Eltern. Wir Eltern hätten aber jetzt vielleicht eher das Bedürfnis alleine zu sein. Wir fühlen uns verloren und überfordert und können nicht auf die Art für unsere Kinder da sein, wie sie das bis anhin von uns gewohnt sind.

Die Schule, der Kindergarten, die Kurse und Freunde der Kinder erfordern ebenfalls weiterhin unsere Organisation und unser Engagement. Das Leben als Familie, wie wir es uns vor dem Verlust ausgemalt hatten, nämlich mit einem Kind mehr, fällt anders aus.

Als Familie müssen wir nun gemeinsam einen neuen Weg finden. Zunächst sollten die wichtigsten Grundbedürfnisse abgedeckt werden. Vor allem körperliche (biologische) Grundbedürfnisse sind nun zentral, wie zum Beispiel Essen, Trinken, Schlafen, Wärme und Atmen. Nach der Geburt soll auch unsere eigene «Selbstpflege» im Vordergrund stehen. Sie ist wichtig, um durch die bevorstehende Zeit zu kommen.

Es kann uns helfen, den Verlust des Babys mit Ritualen zu verarbeiten. Es soll kein «Muss» sein, doch gerade für die anderen Kinder ist es nützlich, wenn sie Angebote zum Mithelfen erhalten. Wir können uns zum Beispiel zusammen überlegen, wie oder wo die wenigen Erinnerungen des verstorbenen Babys einen Ort im Wohnraum findet. Sei dies mit einem Bild als kleiner Gedenkplatz oder mit einer Kerze, die abends auf dem Familientisch brennt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten und den Kindern gefällt es, wenn ihre Ideen berücksichtigt werden.

Es ist eine Herausforderung, den Gefühlen nicht komplett freien Lauf zu lassen, während die Kinder gerade etwas ganz anderes von uns einfordern. Oft kollidieren da unterschiedliche Bedürfnisse. Hier Ruhe zu bewahren, wird nicht immer gelingen. Es ist wichtig, dass wir dann nachsichtig mit uns sind. Es ist für uns alle eine grosse Herausforderung. Es ist unmöglich, in solch einer schwierigen Situation immer fair, hilfsbereit und mit Verständnis zu reagieren.

Um etwas Luft zu bekommen, sollten wir die angebotene Hilfe von Freunden, Nachbarn und unseren Familien annehmen. Die wenige Energie gut einteilen. Dies hilft allen Beteiligten. Wenn wir zu streng mit uns werden, unsere Gefühle nicht mehr wahrhaftig zeigen oder versuchen sie zurückzuhalten, so wirkt sich dies früher oder später vermutlich auf das Familienleben aus. Wenn wir hingegen transparent sind, unsere Gefühle und insbesondere deren Ursprung benennen und offen kommunizieren, können alle grossen und kleinen Familienmitglieder unser Verhalten besser einordnen und akzeptieren. Wir sollten unseren Kindern wiederholt erklären, dass niemand Schuld hat am Tod, an der Situation, an der Trauer und an dieser schwierigen Zeit.

Auch die Kinder werden mit der Zeit einordnen können, was passiert ist. Sie werden verstehen, was der Tod bedeutet. Das Verständnis für dessen Bedeutung ist dabei abhängig vom Entwicklungsstand. Wenn wir als Familie offen darüber sprechen, werden sie das Erlebte und den Verlust besser in ihr weiteres Leben integrieren können. Dies natürlich in angepassten Worten (Hilfestellung zur Kommunikation siehe unter unsere Kinder). Ein Bewusstsein für den Tod hilft einem auch für das spätere Leben. Auch wenn es traurig ist. Früher oder später werden wir alle mit einem weiteren Verlust konfrontiert werden. Da ist eine offene Umgangserfahrung hilfreich.

Irgendwann werden wir als Familie wieder Leichtigkeit erleben. Lassen wir dies zu, es tut uns allen gut und ist wichtig für das Familienleben. Dass bei der Leichtigkeit immer auch Gedanken an das verstorbene Kind mitschwingen, kann schmerzhaft sein. Sprechen wir die Gefühle und Gedanken aus. Wir alle müssen einen Weg finden, der für alle in der Familie stimmig ist. Wenn das Aussprechen nicht mit allen Familienmitgliedern gut ist, findet man vielleicht einfach eine Person aus der Familie, deren Bedürfnisse mit den eigenen übereinstimmen. Es kann hilfreich sein, der Trauer und dem Vermissen ein Gesicht zu geben. Die Kinder können so auch eher verstehen, warum in einem wunderbaren Moment manchmal auch etwas Schweres dabei ist. Als Eltern dürfen wir nicht vergessen, dass unsere Kinder an der Hand sehr feine Antennen haben und spüren, wenn wir plötzlich mit einer Wehmut oder Traurigkeit dabei sind. Es ist normal und in Ordnung.

Das Familienleben kann uns Eltern helfen, am Leben teilzuhaben und mitzuwirken. Die Kinder zwingen uns, zu einer gewissen Normalität zurückzukehren, die wir vielleicht noch gar nicht wollen. Und doch ist es für sie, wie auch für uns, wichtig, gar notwendig. Später werden wir wahrscheinlich dankbar sein, diesen Anstoss bekommen zu haben. Wir dürfen Glücksgefühle erleben, wir dürfen mit den Kindern an der Hand das Leben wieder annehmen, auch wenn es uns manchmal hart und ungerecht vorkommt. Das Verstorbene wird seinen Platz bekommen, wenn wir es zulassen.


Was uns dabei helfen könnte:

  • Erfinden wir als Familie gemeinsame Rituale.

  • Nehmen wir uns Zeit für uns alleine, als Familie und als Paar. Die Selbstpflege steht an oberster Stelle. Es kommt allen andern auch zugute.

  • Wir sollten alle Hilfsangebote annehmen, die wir bekommen. Die Kinder sollen Leichtigkeit erleben, während wir uns unserem Gefühlschaos widmen.

  • Akzeptieren wir, dass auch unsere Kinder ihre Art haben zu trauern. Auch wenn wir dies manchmal nicht so wahrnehmen (siehe auch unsere Kinder).

  • Seien wir nachsichtig mit uns und der Familie. Anforderungen, die wir vorhin gut umsetzen konnten, sollten wir für die erste Zeit reduzieren.

  • Wir sollten Fachpersonen beiziehen, wenn wir unsicher oder überfordert sind, wie der Familienalltag aufrechterhalten werden kann.


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