Christentum

Im Gespräch mit Lic.theol. Lisa Palm.

Palliative Care Beauftragte und Projektleiterin der Spitalseelsorge im Kanton Zürich, Kath. Spitalseelsorgerin am Universitätsspital Zürich (Frau und Kind)

Ist der Tod meines Kindes eine Strafe Gottes?

Aus christlicher Sicht auf keinen Fall. Gott ist der Schöpfer-(in) alles Lebens und will, dass alle Geschöpfe leben und ein gutes Leben haben. Gott ist ein liebender Gott und der christliche Weg will zur Liebe führen. Wenn wir böses tun, strafen wir uns selber, indem wir uns von Gottes Liebe, Licht und Gerechtigkeit entfernen.

 

Warum lässt Gott das zu, dass mein Baby stirbt?

Das ist eine sehr schwer zu beantwortende Frage, vor der ich oft fassungslos stehe, wenn ich die unendliche Trauer erlebe, dass ein Kind nicht leben darf. Ja, warum lässt Gott dies zu? Warum lässt Gott überhaupt das Böse zu, obwohl er/sie ein lebendiger, liebender Gott ist? Das ist die uralte Theodizee-Frage, die sich Menschen stellen, warum der allmächtige und liebende Gott dies nicht verhindert?

Ich meine, es hat mit unserer Geschöpflichkeit zu tun – alles Leben ist sehr stark und trotzdem unendlich fragil. Und gerade diese Fragilität des Lebens macht den Wert des Lebens aus. Erst dadurch entwickeln wir Fürsorge und Schutz für einander.

Wenn ich aber als Spitalseelsorgerin im Unispital betroffene Eltern begleite, kann ich mit meinem Gott nur noch hadern und ihm/ihr im Gebet mein Unverständnis und Trauer und manchmal auch meinen Zorn entgegenbringen – wer kann das verstehen, dass ein kleines Kind nicht leben darf? Wir Menschen kommen da an die Grenzen unseres Glaubens und es ist wichtig, dass wir auch diese Gedanken vor Gott bringen.

 

Sollte ich eine Lehre daraus ziehen, war das die “Idee”? Ist das eine Prüfung des Lebens, die Gott gestellt hat?

Diese Frage kann nur jede/r Betroffene ganz persönlich beantworten. Vielleicht erwächst aus tiefer Trauer und aus dem verbunden bleiben mit Gott (auch im Hadern und trauern) eine ganz persönliche Antwort. Als Menschen erkennen wir nur eine Fassette des Ganzen, das unsere Seele ausmacht. Erst in der geistigen Welt (nach dem Tod) erkennen wir die ganze Wahrheit (Vgl. 1. Kor 13, 12.)

 

Wo ist mein Kind jetzt?

Christen glauben und sind der festen Überzeugung, dass das verstorbene Kind in Gottes Licht und Liebe geborgen ist und viel umfassender versteht, warum dieses sehr kurze Leben bei Papa und Mama (und der Familie) wichtig und richtig war. Für Christen ist das Leben bei Gott das „ewige Leben“, die „Vollendung“, das Einsein mit Gott der/die Liebe, Licht und Weisheit ist.

 

Werde ich es wieder sehen?

Ja, nach dem Tod, in der geistigen Welt wird es eine Begegnung geben, davon hat Jesus im (Johannesevangelium) sehr viel gesprochen. Es ist richtig, sich nicht allzu konkrete Vorstellungen davon zu machen, sondern auf die Zusicherung Jesu zu vertrauen. Menschen, die Nahtoderfahrungen machten, berichten auch von Begegnungen mit unseren Lieben.

 

Schulde ich meinem Kind etwas?

Nein, wir sind auf der Welt, um uns dem Leben zu widmen, die Menschen zu lieben und vor allem die Kostbarkeit der eigenen Familie und aller Lieben (vor allem der Geschwisterkinder) wertzuschätzen.

Unser Kind wurde auf dem Friedhof beerdigt. Ist es wichtig, dass ich das Grab besuche?

Wenn es ihnen und ihrer Familie gut tut, ist es sehr wichtig. Sie haben durch das Grab einen Ort, wo sie ganz eng verbunden mit ihrem verstorbenen Kind ihre Gefühle der Trauer ausdrücken können. Aber vielleicht ist es für Sie auch ein anderer Ort, wo Sie sich der Seele ihres Kindes nahe fühlen.

Wichtig ist, dass Sie und ihre Familie die Trauer zulassen und dadurch zu ihrer (neuen) Lebendigkeit finden. Wichtig ist auch zu verstehen, dass ihr verstorbenes Kind immer ihr Kind bleibt (einen ganz besonderen Platz in der Familie einnimmt) und dass sie es nie vergessen werden.

Wenn Sie eine Grabstätte auf dem Friedhof für ihr verstorbenes Kind haben, pflegen sie diesen Ort auch wenn es Zeiten gibt, wo sie sich ihrem verstorbenen Kind anderswo nahe fühlen. Auch das ist ein wertvolles Zeichen, wie gerne Sie sich für ihr Kind gesorgt hätten/ sorgen.

 

Wo kann ich mich Melden, wenn ich das Bedürfnis habe, mit einer SeelsorgerIn zu sprechen?

In allen Spitälern im Kanton ZH gibt es speziell ausgebildete Seelsorgerinnen für die Begleitung von Frauen/ Paaren und Familien, die ein Kind verloren haben. Sie sind gerne für Sie da und nehmen sich Zeit, wenn Sie ihr Kind (für eine kurze Zeit) kennenlernen und wenn die Zeit gekommen ist, auch verabschieden müssen. Sie bieten Ihnen spirituell-religiöse Begleitung, Gebete, Segen und andere Rituale an.

Lic. theol. Lisa Palm, Theologin und Spitalseelsorgerin, E- Mail: lisa.palm@zhkath.ch